In der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 geschahen im nationalsozialistischen Deutschland unfassbar viele grausame Verbrechen. Jüdische Friedhöfe und Geschäftsräume wurden zerstört, Synagogen niedergebrannt, jüdische Mitbürger*innen ermordet. Auch Freiburg blieb hiervon nicht verschont.
Bis zum 9. November stand am damaligen Werthmannplatz eine stattliche Synagoge. Um 3 Uhr nachts wurde sie angezündet, die Brandruine gesprengt, am nächsten Morgen blieb nicht mehr viel von dem Gebäude übrig. Jahrzehnte lang glaubte man, dass infolge der Pogrome der Nazionalsozialist*innen kein Stein dieser Religionsstätte mehr vorhanden sei.
Nun, fast 78 Jahre später, wurden während der Umbauarbeiten am inzwischen umbenannten Platz der Alten Synagoge Fundamente jener alten Synagoge entdeckt, die lange Zeit unter der Erde verborgen lagen und schon verloren geglaubt waren. Plötzlich lässt sich erahnen, was sich an diesem Ort einst befand und welch grausame Gewalt der jüdischen Gemeinde Freiburgs im November 1938 widerfuhr. “Diese Verbrechen dürfen nicht vergessen werden. Wir dürfen unsere Verantwortung, dass solche Abscheulichkeiten nicht noch einmal geschehen, nicht aus dem Blick verlieren.“, betont Tabea Häberle, Sprecherin der Juso-Hochschulgruppe Freiburg.
Doch diese Erinnerung wird in dieser Form wohl nicht lange Bestand haben. Die Stadtverwaltung unter Oberbürgermeister Dieter Salomon will trotz dieser Funde an dem Bau des geplanten Wasserspiegels festhalten. Ohne Rücksicht auf den erklärten Wunsch der Israelitischen Gemeinde Freiburg, die Überreste an Ort und Stelle zu erhalten oder zumindest bis zum 15.11. mit der Steinentnahme zu warten, werden Fakten geschaffen: Kurz vor dem Jahrestag der Reichspogromnacht werden die Mauersteine der Alten Synagoge entfernt, welche diese Nacht überstanden haben – damit wird die von den Nationalsozialist*innen begonnene Beseitigung der Synagoge von der Baupolitik der Stadt jetzt quasi vervollständigt. “Wir empfinden es als unerträglich und an Respektlosigkeit seitens der Stadt nicht zu überbieten, dass aus vorgeschobenen Gründen schnellstmöglich weitergebaut wird, obwohl der Fund eine Konzeptänderung unbedingt nötig macht.“, so Torrent Balsamo, Sprecher der Juso-HSG. „Kosten dürfen hier nicht den Ausschlag geben.“
„Es ist inakzeptabel, wenn sich die Stadt später für vermeintlich gelungene Erinnerungskultur in Form des Wasserspiegels in den Himmel lobt, obwohl sie derzeit mit der Entfernung der Mauersteine und dem Verhalten gegenüber der Israelitischen Gemeinde einer aufrichtigen Mahn- und Gedenkkultur Hohn spricht. Im Vordergrund darf nicht „schöne“ moderne Architektur stehen; die sichtbare Auseinandersetzung mit den Verbrechen der Nationalsozialist*innen ist es, worum es auch der Stadt Freiburg gehen sollte.“, erklärt Julia Müller, Mitglied des Sprecher*innen-Gremiums.
Die Juso-Hochschulgruppe unterstützt den Vorschlag, eine Decke aus Glas über den Fundamenten zu installieren. “Auf keinen Fall dürfen weitere Steine entnommen oder die Mauern später wieder im Boden begraben werden!“, so Clemens Ernst, Sprecher. Aus der ganzen Welt kommen Bekundungen von Menschen, die ihre Freude über diesen Fund zum Ausdruck bringen. Es wäre peinlich und traurig, wenn das heutige Deutschland authentische Bezeugungen der damaligen Taten aus dem gesellschaftlichen Bewusstsein ausradieren würde. Wir hoffen, dass die Stadt zu einem Umdenken bewegt werden kann.
Unseren Antrag im Studierendenrat finden Sie hier: https://www.stura.uni-freiburg.de/gremien/studierendenrat/protokolle/wise16/stura_protokoll_01_11_2016/PDFform/Pdf%20Fro/view